San Francisco
Daniel erblickte am 12.12.1994 das Licht der Welt. Während er seinen Vater nie kennenlernte, scherte seine Mutter sich einen feuchte Dreck um ihn. Anstatt sich um ihn zu kümmern, versoff sie ihr Geld lieber und dröhnte sich mit irgendwelchen Drogen zu. Zu allem Überfluss dann, holte sie auch noch ihren Dealer in die Wohnung als Daniel gerade drei Jahre alt war. Der Typ war das totale Arschloch und Daniel hatte und würde wohl nie verstehen, was sie an dem Kerl fand. Zumal er nicht selten miterleben durfte, wie er sie schlug, wenn sie mal nicht nach seiner Pfeife tanzte. Kein schönes Erlebnis für ein Kind; auch nicht, wenn die eigene Mutter mal wieder zusammenbrach von den ganzen Drogen und dem Alkohol und halb an ihrem Erbrochenen erstickte, während der Macker daneben saß und gemütlich seine Fernsehserie weiter schaute. In solchen Momenten Hilfe zu holen war für den Kleinen jedoch keine Option. Nicht aber, weil er nicht wollte - er wusste wie man zum Beispiel den Notruf wählte - aber immer wenn er Anstalten machte dies zu tun, gab es eine Schelle vom Partner seiner Mutter oder aber er wurde in sein Zimmer eingesperrt und erst wieder hinaus gelassen, wenn er in den Kindergarten oder später zur Schule musste. Das natürlich nicht, ohne dass ihm angedroht wurde, seiner Mutter etwas anzutun, wenn er in Erwägung ziehen würde etwas zu sagen, was die Situation Zuhause anbelangte.
Es war also pure Angst, die den Jungen dazu veranlasste, die Klappe zu halten, denn auch wenn seine Mutter sich einen Scheiß um ihn kümmerte, so wollte er doch nicht, dass ihr etwas schlimmeres passierte, als geschlagen zu werden. Er mimte vor anderen also immer den glücklichen Jungen, damit niemand Verdacht schöpfte. Später, um der Situation Zuhause länger zu entgehen, unternahm er nach der Schule öfter mehr mit Freunden. Dies passte zwar dem Typen seiner Mutter nicht so recht, da er immer damit rechnete, dass Daniel doch den Mund aufmachte, aber das war ihm nach den ersten Prügeln, die er wegen seines Zuspätkommens einstecken durfte, egal geworden. Mal ein blaues Auge, dass er vor anderen als Missgeschick seinerseits abstempelte, oder ein paar blaue Flecken an nicht sichtbaren Stellen. Leicht zu vertuschen und selbst wenn man doch mal skeptisch wurde, schob er es seiner Hibbeligkeit in die Schuhe und dass er immer übertrieb, wenn er zum Beispiel nach der Schule mit ein paar anderen Kindern Fußball spielte.
Das Ganze lief so weiter bis an den Tag seines vierzehnten Geburtstages. Seine Mutter immer noch abhängig von Alkohol, nun verheiratet mit ihrem ebenso abhängigen Schläger. Wobei das mit dem Schläger nicht mehr wirklich passte. Eigentlich schlug er niemanden mehr, sondern saß nur noch Zuhause auf der Couch, wenn er nach Hause kam und zitterte ebenso unkontrolliert vor sich hin wie seine Mutter. Wie beide es schafften so ihren Job zu halten war ihm unbegreiflich. Allerdings hatte Daniel schon lange aufgegeben irgendetwas zu verstehen was die beiden so verband oder trieben; es war ihm ziemlich egal geworden. Auch dass er an sich nun endlich die Polizei oder sonst wen verständigen könnte, da sein “Vater” ja scheinbar eh nichts mehr weiter zustande bringen würde, außer sich sinnlos einen in den Bart zu brabbeln. Aber - und das klang vielleicht schräg - er hatte irgendwie Mitleid mit den beiden. Statt also etwas zu unternehmen, griff er ihnen ein wenig unter die Arme, in denen er ihnen immer etwas zu Essen vorsetzte, damit außer Alkohol und irgendwelche Pillen noch etwas den Weg in ihre Mägen fand. Ein anderer Grund, neben dem Mitleid, war,... Er wüsste nicht wohin es ihn danach verschlagen würde und er wollte beim besten Willen nicht in ein Heim gesteckt werden.
An seinem Geburtstag dann, war er eigentlich auf dem Weg von der Schule nach Hause, um sich kurz andere Klamotten anzuziehen und dann weiter zu seinen Freunden zu flitzen, um mit ihnen zu feiern, da er von seinen Eltern ja keine Feier erwarten konnte. Das wusste zwar keiner, aber er benutzte einfach jedes Jahr die Ausrede, dass seine Eltern arbeiten mussten und er nicht alleine Zuhause hocken wollte. Damit entstanden dann keine weiteren Fragen, auch wenn es wohl komisch wirkte, dass nicht mal die Mutter sich am Geburtstag des eigenen Kindes frei nahm. Er war also auf dem Heimweg und schon als er um die Ecke zu seiner Straße bog und ihm die Polizeiautos und der Krankenwagen ins Auge fielen, beschlich ihn ein ungutes Gefühl. Noch mehr als eine seiner Nachbarinnen auf ihn zu geeilt kam und irgendetwas davon faselte, dass alles gut werden würde und er jetzt stark sein müsse, ehe darauf einer der Beamten sich seiner annahm und ihm erklärte was passiert war.
Kurz und knapp: Seine Mutter hatte im Drogenrausch wohl ihren Mann erschossen.
Auf diese Information entwich ihm in dem Moment nur ein simples “Oh”, sodass man annahm, er hätte einen Schock. War ihm allerdings ganz recht, weil wie sollte man den Leuten auch erklären, dass es einem nicht sonderlich nahe ging, wenn die Mutter den Mann erschoss, mit dem er fast sein Leben lang zusammen gewohnt hatte und man ihn deshalb nun von Zuhause wegholen würde? Natürlich machte er keine Freudensprünge, aber irgendwo war er trotzdem erleichtert, auch wenn ihm die Frage nach dem: “Wohin”, im Kopf herum geisterte.
Mexiko
Er wurde nicht in ein Heim gesteckt, zumindest nicht lang. Ein paar Tage nur, in denen man es aber irgendwie geschafft hatte herauszufinden wer sein Vater war. Diesen hatte man wohl kontaktiert und es stellte sich heraus, dass er nichts von einem Sohn gewusst hatte, ihn aber mit Freuden bei sich aufnehmen würde.
Mit Freuden; so hatte man Daniel das gesagt und als er einige Zeit später bei seinem leiblichen Vater ankam - in Mexiko?! - schien der sich tatsächlich über sein wildfremdes Kind zu freuen. Nicht, dass er das als negativ empfand, aber es war doch ein wenig befremdlich, dass man ihn einfach so in die Familie aufnahm und behandelte, als wäre er schon immer da gewesen. In die Familie, die bis dahin aus seiner Frau und einer Tochter bestanden hatte, die beide ebenso erfreut schienen, wie sein Vater. Und diese glückliche Familie, nachdem er jahrelang von seiner anderen Familie dauerhaft ignoriert wurde, war doch recht gewöhnungsbedürftig.
Alles in Allem ging es ihm jedoch sehr gut dort, auch wenn sein Vater sich sorgte, dass die bisherigen Umstände ihn vielleicht mehr mitnahmen, als Daniel zugeben wollte. Und weil er sich sorgte, überredete er seinen Sohn zu einer Therapie, auch wenn dieser mehr als nicht begeistert darüber war. Aber was tat man nicht alles, um den alten Herren glücklich zu machen? Immerhin waren es nur ein paar Stunden, in denen er mit jemand fremden darüber quatschen musste, was so vorgefallen war und wie es ihm mit diesem und jenem ging.
Tatsächlich entpuppte sich das Ganze als nicht ganz so grauenvoll, wie er es sich vorgestellt hatte. Schnell war auch festgestellt, dass es Daniel gut ging und am Ende quatschten er und sein Therapeut eher über belangloses, anstatt die letzten Stunden allzu ernst zu nehmen. Sein Vater war auf jeden Fall beruhigt und Daniel hatte mit der Therapie sogar herausgefunden, was er nach seinem Abschluss gerne machen wollte.
Er wollte Sozialpädagogik studieren, um so später vielleicht auch den Leuten helfen zu können.
[tbc…]